Die Differenzierung des Diabetes


Statistik und Logik für Mediziner - Teil 4

Wenden wir uns nun wieder allgemein dem Diabetes mellitus zu mit der Frage, was denn das „eigentliche Krankheitsgeschehen“ ist. Ist es immer die verminderte Glucose-Versorgung der Zellen?

Direkt messen kann man die Glucose in der Zelle nicht. Glucose ist zelltoxisch und wird sofort umgebaut. Wir müssen also auf Surrogatmarker der Zellversorgung zurückgreifen. Wie wir beim DM Typ 1 gesehen haben, mündet eine verminderte Versorgung der Zellen mit Glucose immer in einer zunehmenden Hyperglykämie. Genau das beobachten wir beim übergewichtigen Diabetiker aber nicht: ganz im Gegenteil sinkt der Blutzuckerspiegel im Fastenversuch deutlich ab!

Offiziell gibt es eine Einteilung des DM in die Typen 1 bis 4, im täglichen Leben werden aber Typ 3 und Typ 4 unter Typ 2 subsumiert.

Ich schlage folgende neue Unterteilung vor:
A) Diabetes mit Glukose-Minderversorgung der Zellen
B) Diabetes mit normaler Glukose-Versorgung der Zellen   
C) Diabetes mit Glukose-Überversorgung der Zellen

Zu A): hierzu gehört neben Diabetes Typ 1 auch Typ 3a-c, das sind:
3a) Genetischer Defekt der B-Zelle (Mody-Diabetes)
3b) Genetische Defekte der Insulinwirkung (normale Insulinmengen)
3c) Krankheiten des exokrinen Pankreas (Alkoholiker, OPs, Radiatio, …)
Außerdem gehört dazu der Typ-2-Diabetiker, der als Spätfolge einen Insulinmangel entwickelt hat (nach mehr als 20 Jahren)

Zu B): hierunter zählen alte Menschen, deren metabolische Funktionen „unscharf“ geworden sind. Eine übergroße Glucosemenge wird nur verzögert aufgenommen, daher ist der Glucosebelastungstest auffällig. Bei allen Infekten steigen die Blutzuckerwerte.
Das Alter liegt meist über achtzig, der HbA1c im Allgemeinen unter 6,5 % (im Schnitt 6,1 %), diese Veränderungen sind nicht progredient. Eine PNP ist häufig (wie aber immer in dieser Altersklasse).

Zu C): hierzu gehören unsere eigentlichen Problempatienten, die Adipösen. Ebenso würde ich DM Typ 4 (Schwangerschafts-Diabetes) und Typ 3d-h (tatsächlich sehr selten) hier zurechnen.

In meiner Praxis findet sich folgende Verteilung:
A) 25 %          B) 16 %        C) 59 %

Vermutlich ist die Gruppe B überrepräsentiert, da wir vor Jahren bei allen KHK-Patienten (die oft zu dieser Altersgruppe gehören) intensivste Diagnostik betrieben haben, um nur ja keinen Diabetes zu übersehen.

Die Gruppe A) wird behandelt wie bei Diabetes Typ 1, allerdings ist die Behandlung oft einfacher, zum Teil ist der Einsatz von insulinotropen Substanzen wie Glimeperid oder Gliniden möglich. Der Diabetes Typ 3c nach Pankreatitis ist oft reversibel.

Bei Gruppe B) ist eine Behandlung nicht möglich, vermutlich ist aber auch noch nicht einmal eine Diät notwendig.

Zur Gruppe C) gehören die Patienten mit Glukose-Überversorgung der Zellen als „eigentliches Krankheitsgeschehen“. Die Surrogatmarker „Hyperglykämie“ und „HbA1c“ zeigen an, dass die Glukose nicht mehr vollständig aus dem Blut in die Zellen aufgenommen wird. Der Surrogatmarker „Bauchumfang“ zeigt an, in wie weit pathologisches mesenteriales Fett angelegt wurde.

Die Behandlungsstrategien zielen darauf ab, die Überernährung zu stoppen und im Bereich Ernährung/Bewegung eine negative Bilanz zu erreichen. Dafür sind geeignet:

  • Medikamentös:    Metformin, DPP4-Inhibitoren und Inkretinmimetika
  • Operativ
  • Lifestyle

Im nächsten Teil werden wir noch näher darauf eingehen.