Look-AHEAD-Studie - Studieninterpretation


Statistik und Logik für Mediziner - Teil 1

Vor einiger Zeit haben wir erfahren, dass die Look-AHEAD-Studie gestoppt wurde. Der Grund: Der Nachweis einer signifikanten Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen kann in der geplanten Laufzeit nicht mehr erreicht werden.

Dazu lesen wir in unserer Fachpresse:

"Weight loss does not lower heart disease risk from type 2 diabetes" (Pressemitteilung der NIH National Institutes of Health vom 10. Oktober 2012)
„Gesünder leben verfehlt das Ziel“ (ÄZ vom 25.10.2012)
„Änderung des Lebensstils verhindert keine Herzinfarkte“  (ÄZ vom 26.10.2012)

Aus statistischer Sicht sind diese Aussagen falsch. Richtig, wenn auch etwas umständlich, müsste es heißen:
Bei Diabetikern mit einem durchschnittlichen BMI von 36 wurden die Auswirkungen einer Lebensstil-Änderung untersucht.
Diese Änderung bestand erstens in einer Anleitung zur körperlichen Aktivität mit dem Ziel, diese auf mehr als 175 Minuten pro Woche zu steigern. Darüber hinaus wurde zweitens eine kontinuierliche Beratung bezüglich einer kalorienreduzierten Ernährung durchgeführt. Das Ziel war dabei eine Gewichtsreduktion um mehr als 7 Prozent.

Bei einem Gesamtkollektiv von 5145 Diabetikern und einer Beobachtungszeit von 8-11 Jahren konnte eine signifikante Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen nicht nachgewiesen werden.

Daraus ergeben sich zwangsläufig einige Ideen, unter welchen Umständen das Ergebnis anders ausfallen könnte.

1) Laufzeit der Studie

 

Auch in der bekanntesten großen Studie, der UKPDS mit 3867 Patienten, war es nach immerhin vierzehn Jahren nicht gelungen, einen signifikanten Unterschied zwischen den diversen Behandlungsstrategien nachzuweisen. Die Beobachtungszeit erscheint dazu zu kurz zu sein. Zudem kann man erwarten, das eine positive Wirkung erst nach erreichen eines Zieles (wie Gewichtsreduktion) beginnt und nicht schon, wenn dieses geplant ist.


2) Interventions-Ziel

Das Interventions-Ziel oder auch Behandlungsziel „Gewichtsreduktion um mehr als 7 Prozent“ erscheint bei einem mittleren BMI von 36 kg/m2 zu gering und wurde auch in der Studie  nicht erreicht. Nach vier Jahren lag die Gewichtsreduktion lediglich bei fünf Prozent, spätere Angaben liegen nicht vor.

Nach meinen Erfahrungen liegt der kritische BMI im Median bei 31 kg/m2.

 

3) Interventions-Konzept

Es stellt sich die Frage, ob ein wirkungsvolleres Konzept zur Lebensstil-Änderung denkbar ist.

  • Die Auswahl ungünstiger Lebensmittel und deren ungehemmter Verzehr als Ursache von Diabetes mellitus geschieht aller Erfahrung nach nicht aus  Unkenntnis. Wir wissen, dass die Nahrungsaufnahme nur in geringem Maße dem Intellekt unterliegt. Der Erfolg einer Beratung bezüglich kalorienreduzierter Ernährung ist daher im Allgemeinen auch nicht sonderlich überwältigend. Eine wirksame Intervention sollte daher den Suchtcharakter der Nahrungsaufnahme berücksichtigen.
  • Das Gleiche gilt für die „Anleitung zur körperlichen Aktivität“. Wir erfahren nicht, ob in der besagten Studie das Ziel, diese auf mehr als 175 Minuten pro Woche zu steigern, erreicht wurde und wie dieser Erfolg gemessen wurde.

Daraus ergibt sich, dass eine Studie mit differenzierterem Interventions-Konzept und längerer Laufzeit durchaus positive Ergebnisse bezüglich der kardiovaskulären Ereignisse erbringen könnte.